Inhalt: Was sind Vorratschutzmittel
Pflanzenschutzmittel, die im Einsatzgebiet ‚Vorratsschutz‘ angewendet werden, dienen nach gesetzlichen Bestimmungen dem Schutz von Pflanzenerzeugnissen vor Schadorganismen.
- Pflanzenschutzgesetz
- Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln
Bei der Zulassung und Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln werden die für den Vorratsschutz zutreffenden Kulturen/Objekte und Erzeugnisgruppen nach beispielweise der botanischen Systematik und der Zweckbestimmung des Mittels sinnvoll zusammengefasst. Dabei wird für das gesamte Einsatzgebiet darauf geachtet, dass möglichst keine Indikationslücken entstehen. Gerade bei der Festlegung der Anwendungen im Vorratsschutz müssen dabei die verschiedensten Vorratsgüter (z.B. Mehle, Gries, Trockenobst, vorratslagerndes Getreide,) und Räumlichkeiten (z. B. Container, Schüttlager, Silo, Sackstapel) in ihrer Kombination mit Schaderregern und deren Entwicklungsstadien berücksichtigt werden.
Pflanzenschutzmittel sind entsprechend den zugelassenen Anwendungsgebieten und -bestimmungen sowie nach den Vorgaben des Integrierten Pflanzenschutzes zu verwenden. Die chemische Bekämpfungsmaßnahme ist dabei nach der guten fachlichen Praxis und den Bestimmungen des integrierten Pflanzenschutzes auf das notwendige Maß beschränkt, damit Mensch, Tier und Umwelt keinen unnötigen Stoffeinträgen ausgesetzt werden. Zudem müssen auch Vorratsschutzmittel zum Schutz von Pflanzenerzeugnissen die Anforderungen des gesetzlich verankerten Vorsorgeprinzips erfüllen und im Rahmen der Zulassung eine umfassende wissenschaftliche Bewertung durchlaufen. Ein Hauptziel der europäischen Pflanzenschutzgesetzgebung ist die Sicherheit der aus Pflanzen gewonnenen Lebens- und Futtermitteln und die Erfüllung der Gesundheits- und Qualitätsanforderungen an Nutzpflanzen in allen Mitgliedstaaten.
Welche Wirkstoffe kommen in zugelassenen Vorratsschutzmitteln vor?
Die Zahl der Wirkstoffe hat sich in den letzten Jahren stabilisiert und liegt derzeit bei insgesamt neun (siehe Abbildung 1und 3, rechts). Einschnitte gab es durch z. B. den Wegfall der im Vorratsschutz bewährten Wirkstoffe Methylbromid, Dichlorvos, Stickstoff und Blausäure auf EU-Ebene. In der Mehrzahl der Fälle sind diese Wirkstoffe nicht durch fehlende Wirksamkeiten der Anwendungen im Vorratsschutz während des europäischen Bewertungsverfahrens negativ bewertet worden, sondern vornehmlich bedingt durch z. B. kritische Rückstandsbildungen und Expositionen der Anwender sowie aufgrund unerwünschter Auswirkungen für den Naturhaushalt.
Derzeit kommen folgende Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln für den Vorratsschutz vor:
- Aluminiumphosphid
- Cypermethrin
- Deltamethrin
- Kieselgur
- Kohlendioxid
- Magnesiumphosphid
- Phosphorwasserstoff
- Pyrethrine
- Sulfuryldifluorid
- Zinkphosphid
Mit einer gewissen Vorlaufzeit vor dem Genehmigungsende müssen für die in der EU genehmigten Wirkstoffe Anträge auf Erneuerung der Wirkstoffgenehmigungen gestellt werden. Eine reguläre Genehmigung endet nach 10 Jahre. In verschiedenen sogenannten AIR (Active Ingredient Renewal)-Programmen werden dann die Wirkstoffe nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik erneut überprüft. Das Verfahren ist in entsprechenden Durchführungsverordnungen geregelt (z. B. (EU) Nr. 1141/2010 und (EU) Nr. 844/2012). Die aktuell im Vorratsschutz verwendeten Wirkstoffe befinden sich in diesen Überprüfungsprogrammen.

Welche Vorratsschutzmittel sind in Deutschland zugelassen?
Die zugelassenen chemischen Pflanzenschutzmittel, die im Vorratsschutz zugelassen und eingesetzt werden können, sind bezogen auf die Wirkstoff- und Mittelpalette in den letzten Jahren insgesamt deutlich zurückgegangen (siehe Abbildung 1 und 3, rechts). Gründe dafür sind u. a. nicht erteilte Genehmigungen von Alt-Wirkstoffen, ausgelaufene Zulassungen ohne erneute Beantragung einer Zulassung und ein Antragsrückgang durch die Zuordnung zu Biozidprodukten.
Für die hier betrachteten chemischen Bekämpfungsmaßnahmen im Einsatzgebiet ‚Vorratsschutz‘ stehen in Deutschland aktuell (Oktober 2019) insgesamt 21 zugelassene Pflanzenschutzmittel (ohne Vertriebserweiterungen) mit rund 190 verschiedenen Anwendungen zur Verfügung. Die Zahl der Insektizide liegt bei derzeit 20. Drei der Insektizide, mit den Wirkstoffen Kohlendioxid und Kieselgur, haben zusätzlich eine akarizide Wirkung und sind jeweils auch für diese Indikation zugelassen. Im Vorratsschutz im Bereich des Pflanzenschutzes ist derzeit nur noch ein einziges Rodentizid, dieses mit dem Wirkstoff Zinkphosphid, zugelassen.
Im Anwendungsbereich ‚Vorratsschutz‘ sind, so wie das Einsatzgebiet gemäß der EU-Verordnung (EU) 528/2012 in Verbindung mit bestimmten Beschlüssen der Europäischen Kommission verstanden wird, Rodentizide und Insektizide vertreten. Es stehen zudem Biozidprodukte gegen vorratsschädliche Insekten auf Pheromonbasis zur Verfügung (attract and kill, mating disruption), z. B. Fallen und Dispenser zur Minderung eines Lebensmittelmottenbefalls. Die Experten des JKI/Vorratsschutz sind an der Entwicklung entsprechender Guidance Documents der ECHA zur Prüfung der Wirksamkeit solcher Mittel maßgeblich beteiligt.
Der aktuelle Zulassungsstand bei Pflanzenschutzmitteln ist in der online-Datenbank des BVL abrufbar:
https://apps2.bvl.bund.de/psm/jsp/index.jsp
Die aktuelle Auswahl für den ökologischen Landbau listet das BVL ebenfalls regelmäßig:
Von den neun insektiziden Wirkstoffen der in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel wirken fünf über die Gasphase und allein drei davon auf Phosphorwasserstoffbasis. Eines der Begasungsmittel ist Sulfurylfluorid, neben Kohlendioxid als Anoxia im Vorratsschutz.
Bei dem sulfurylfluoridhaltigen Mittel ist zu beachten, dass nur die Bekämpfung von postembryonalen Stadien, also Larven bis Imago in der Zulassung vorgesehen ist, die Eistadien aber ausgenommen sind. Ein Ergebnis der unter den Gegebenheiten der Anwendungen in der Praxis nicht eindeutig belegten Wirksamkeiten, insbesondere bei niedrigeren Temperaturen unter 20 °C.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Erfordernisse im globalen Handel mit Pflanzenerzeugnissen gerade bei Begasungen den Trend zu ‚just in time‘- Behandlungen erkennen lassen. In einem solchen Szenario werden aufgrund kürzerer Warte- und Einwirkzeiten neue Herausforderungen an die Dosierungen und Wirksamkeiten der eingesetzten Pflanzenschutzmaßnahme gestellt, auch um geltende Rückstandshöchstgehalte in Europa und im weltweiten Warenverkehr, einschließlich Quarantänebestimmungen, einhalten zu können.
Kohlendioxid ist als Insektizid und Akarizid in Deutschland im Pflanzenschutz nur für das Einsatzgebiet ‚Vorratsschutz‘ zugelassen. Die Inlandsabgabe dieses inerten Gases ist seit 1990 im Vorratsschutz stark angestiegen, auf eine Menge von 17741 t im Jahr 2019. Diese Menge entspricht einem Anteil von 95 % aller in Deutschland abgegebenen und ausgeführten Wirkstoffe in der Gruppe ‘Insektizide, Akarizide (einschliesslich Synergisten)‘ bzw. knapp 40 % aller im Inland abgegeben Wirkstoffe in 2019. Kohlendioxid wird insbesondere zur Behandlung hochwertiger Pflanzenerzeugnisse in Druckkammern eingesetzt. Bei der Anwendung müssen u. a. die technischen Spezifikationen der Druckkammern, die vollständige Durchdringung der Ware, die ausreichende Verdrängung von Luftsauerstoff bei gleichzeitiger Vermeidung von Lufteinschlüssen in den Waren berücksichtigt werden.
Mit dem 31.04.2016 endete die Zulassung für Actellic 50 in Deutschland (Abverkaufsfrist bis Ende Oktober 2016, Aufbrauchfrist bis Ende April 2018). Pirimiphos-methyl-haltige Pflanzenschutzmittel im Vorratsschutz standen ohnehin nach der Beschränkung der Anwendung gemäß der Richtlinie 2011/31/EU nur noch bedingt für die Behandlung von vorratslagerndem Getreide auf dem Fördergutstrom bei der Umlagerung und somit nicht mehr für den Einsatz handgeführter Geräte zur Verfügung. Nach weiteren Zulassungsänderungen Ende 2013 waren zuletzt in Deutschland neben Mais zusätzlich Reis, Roggen und Buchweizen von pirimiphos-methyl-haltigen Pflanzenschutzmitteln ausgenommen. Der Wirkstoff selbst ist mit Stand Oktober 2019 in der EU bis 31. Juli 2020 genehmigt (Durchführungsverordnung EU 2019/707).
Seit 2011 ist der Wirkstoff Deltamethrin in zwei zugelassenen Kontaktmitteln (ohne Vertriebserweiterungen) in Deutschland neu als Spritzmittel im Vorratsschutz vertreten, was die genannten Einschränkungen für Anwendungen im bäuerlichen Lager bei pirimiphos-methyl-haltigen Pflanzenschutzmitteln teilweise auffangen konnte. 2017 und 2020 sind zwei weitere Deltamethrin-haltige Pflanzenschutzmittel zugelassen worden.
Für den ökologischen Landbau haben in Deutschland gemäß Verordnung (EG) Nr. 834/2007 für den Einsatz im Vorratsschutz lange lediglich Pflanzenschutzmittel mit Pyrethrinen zur Verfügung gestanden, und zwar nur gegen Käfer und Motten in Räumen. Hier bestand ein erkennbarer Entwicklungsbedarf für Alternativmittel und Methoden. Zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln im Öko-Anbau konnte deshalb u. a. die Listung der Wirkstoffen Kieselgur und CO2 als Betriebsmittel in der entsprechenden ÖKO-Verordnung (EG) 889/2008 beitragen. Da letztere Stoffe bereits als Pflanzenschutzmittelwirkstoffe genehmigt (Anhang 1107/2009) und für Anwendungen im Vorratsschutz in Deutschland zugelassen sind, stehen sie seit Ende April 2016 mit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/673 der Kommission nun auch für Pflanzenschutzmaßnahmen bei ökologisch erzeugten Pflanzenerzeugnissen zur Verfügung (Verordnung (EG) Nr. 889/2008, Anhang II, ‚Pestizide - Pflanzenschutzmittel gemäß Artikel 5 Absatz 1‘).
Aufgrund der geringen Zahl an verfügbaren Pflanzenschutzmitteln mit unterschiedlichen Wirkmechanismen und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer Resistenzvorbeugung müssen gerade im Vorratsschutz Pflanzenschutzverfahren optimiert und mit der erforderlichen Sachkunde unter Berücksichtigung der guten fachlichen Praxis angewendet werden (siehe Abbildung 2, rechts). Zielgenaue und maßgeschneiderte Anwendungen helfen nachhaltig, die Wirksamkeit zugelassener Pflanzenschutzmittel zu erhalten, damit diese Betriebsmittel als ein wichtiges Element des integrierten Pflanzenschutzes zur Verlustminderung in der Wertschöpfungskette sowie zur Erhaltung der Qualität und Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln auch zukünftig beitragen können.
Die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln ist wichtig, weil es nach den gegenwärtigen Erkenntnissen und Möglichkeiten (noch) keinen praxistauglichen Ansatz gibt, ganz ohne Pflanzenschutzmittel die Vorräte in der Vielzahl und Menge zu erhalten, die für eine ausreichende Versorgung mit sicheren, gesunden und bezahlbaren Lebens- und Futtermitteln gebraucht werden: ein nachhaltiger, standortgerechter und optimierter chemischer Vorratsschutz nach den Prinzipien des Integrierten Pflanzenschutzes trägt insofern auch zur Ernährungssicherung der aus Pflanzenerzeugnissen gewonnenen Lebens- und Futtermittel bei.
Was sind Biozide?
Biozidprodukte sind laut der EU-Biozid-Verordnung 528/2012/EU zur Bekämpfung von für die Gesundheit von Mensch oder Tier schädlichen Organismen und zur Bekämpfung von Organismen notwendig, die natürliche oder gefertigte Materialien schädigen.
Es handelt sich dabei um nach dem Vorsorgeprinzip zuzulassende Stoffe, Gemische oder behandelte Waren, die auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zerstören.
Biozide sind Desinfektionsmittel, Schutzmittel und sonstige Produkte sowie behandelte Waren, die durch ihre Eigenschaften Schadorganismen zerstören, abschrecken, anlocken und unschädlich machen. Zielorganismen können dabei Insekten, Nager, Schnecken, Muscheln, Algen, aber auch Viren, Bakterien und Pilze sein.
Verwendet werden sie insbesondere in den Bereichen Gesundheitsschutz, Materialschutz, Lebensmittelschutz, aber auch im sogenannten ‚hygienebedingten‘ Vorratsschutz.
EU-Biozid-Verordnung:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A32012R0528
Gibt es bereits zugelassene Biozidprodukte für den ‚hygienebedingten‘ Vorratsschutz?
Bei den zum Schutz von Vorräten verwendeten Bioziden, die aus vornehmlich hygienischen Erwägungen angewendet werden, handelt es sich mehrheitlich um Produkte, die den Produktarten 14 ‚Rodentizide‘ und 18 ‚Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden‘ zugeordnet sind. Alle in Deutschland zugelassenen Biozidprodukte sind bei der Zulassungsbehörde, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, entsprechend gelistet:
Die Wirkstoffe in den zugelassenen Biozidprodukten sind in Abbildung 4 dargestellt. Welche Anwendung genau für ein Biozidprodukt zugelassen ist, kann dem jeweiligen Etikett bzw. der Gebrauchsanweisung des Biozids entnommen sowie in der online Datenbank der BAuA für zugelassene Biozidprodukte nachgelesen werden.