Inhalt: Flüchtige organische Verbindungen im Vorratslager und ihr Nutzen für den Vorratsschutz
Innovative Ansätze für den Vorratsschutz
Der Großteil aller Pflanzenerzeugnisse wird nach der Ernte nicht sofort weiterverarbeitet oder konsumiert, sondern für einen bestimmten Zeitraum eingelagert. Diese Vorräte gilt es vor Qualitäts-und Masseverlusten durch Schädlinge zu schützen. In diesem Sinne forscht der Fachbereich „Vorratsschutz“ auf dem Gebiet der Befallsvorbeugung, -früherkennung und –bekämpfung, und sucht nach neuen innovativen Ansätzen für den Vorratsschutz.
Ein solcher Ansatzpunkt ist die Untersuchung niedermolekularer kohlenstoffhaltiger Verbindungen, sogenannter „volatile organic compounds (VOCs)“, welche ubiquitär in unserer Umwelt vorhanden und so auch in unseren Vorratslägern allgegenwärtig sind.
Einteilung der verschiedenen flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs)
Man kann diese Verbindungen ihrem Ursprung nach unterscheiden. So gibt es z. B. Stoffe, die
- von den Vorräten selbst,
- von vorratsschädlichen Insekten oder
- von assoziierten Mikroorganismen abgegeben werden.
Substanzen, die von Insekten produziert werden, sind z. B. Pheromone, dies sind Stoffe, die der Kommunikation innerhalb einer Art dienen, und Abwehrstoffe, welche zur der Verteidigung gegen Organismen einer anderen Art abgegeben werden.
Eine Einteilung kann aber ebenso nach der biologischen Wirkung der Stoffe vorgenommen werden:
- Attraktantien z. B. werden von Erntegütern abgegeben und besitzen eine anlockende Wirkung auf vorratsschädliche Insekten.
- Insektizide, die von Pflanzen gebildet werden, töten Schaderreger bei Aufnahme ab. Letztere könnten somit potentiell zur Bekämpfung genutzt werden.
- Repellentien dienen der Abschreckung von z. B. natürlichen Feinden.
- Fraßhemmstoffe (Deterrentien) werden als Selbstschutz von den Pflanzen produziert.
Beispiele aus der Praxis
In der Vorratsschutzpraxis kommen beispielsweise VOCs in Fallen zur Anwendung, die auf Sexualpheromonen basieren und erfolgreich im sogenannten Monitoring vorratsschädlicher Motten zur Überwachung und Erfassung eines Befalls eingesetzt werden können. Auch zur Überwachung von Käferpopulationen existieren bereits Fallen, die mit Aggregations- oder Sexualpheromonen, oder aber mit Fraßlockstoffen ausgestattet sind.
Für eine Reduktion der Schädlingspopulation stehen generell das Konzept des Massenfangs oder der Verwirrmethode zur Verfügung. Beide Verfahren werden bereits wirksam für Schädlinge in Freilandlandkulturen eingesetzt, sind in Deutschland aber noch nicht kommerziell für Vorratsschädlinge erprobt und erhältlich. Repellentien und Deterrentien auf Basis von Pflanzenextrakten finden bislang vor allem in südlichen und auch tropischen Ländern zum Schutz kleinbäuerlicher Vorräte traditionell Anwendung.
Ansatzpunkte der wissenschaftlichen Arbeiten zu Signalstoffen/Monitoring
Ziel der Arbeiten auf dem Gebiet ‚Signalstoffe/Monitoring‘ ist es, die von den verschiedenen Pflanzenerzeugnissen, vorratsschädlichen Insekten oder Mikroorganismen produzierten VOCs, zu identifizieren und zu quantifizieren sowie deren Wirkung auf Vorratsschädlinge aufzuklären. Aus den hieraus gewonnenen Erkenntnissen über die Biologie und Ökologie vorratsschädlicher Insekten sollen anschließend neue Maßnahmen für ihr Management abgeleitet werden. Weiterhin wird die zeitliche Veränderung der vorhandenen VOC-Profils einzelner Pflanzenerzeugnisse während der Lagerung betrachtet, um gegebenenfalls qualitätsrelevante Veränderungen der Vorratsgüter frühzeitig feststellen zu können.
Die Geruchswahrnehmung bei Insekten
Wie nehmen Insekten Duftstoffe war?
Anders als bei uns Menschen nehmen Insekten Gerüche bzw. Geschmack über ihre Antennen bzw. ihre Mundwerkzeuge wahr. Bei Urinsekten erfüllen die Vorderbeine die Funktion einer „Nase“. Je nach Insektenart können die Antennen verschiedenartig gestaltet sein (Abbildung 1, rechts) und dienen neben dem Riechen weiteren Funktionen, wie dem Abtasten der Umgebung oder der Temperaturwahrnehmung. Die Antennen mancher Insektenarten weisen eine stark vergrößerte Oberfläche auf. Da diese die Anzahl der möglichen einzufangenden Duftmoleküle erhöht, spricht man deshalb auch von einem Molekularsieb.
Wie erfolgt die Geruchswahrnehmung bei Insekten?
Auf der Insektenantenne befindet sich eine Vielzahl von „Sinneshaaren“, die sogenannten Sensillen. Als chemosensitive Sensillen bezeichnet man diejenigen, die die Funktion der Geruchs- bzw. Geschmackswahrnehmung erfüllen. Eine solche Sensille besitzt auf ihrer Oberfläche zahlreiche Poren, welche die Verbindung von Sensilleninnerem mit der Umwelt darstellen (Abbildung 2, rechts). Die Fortsätze der Riechsinneszellen (Dendriten) reichen weit ins Sensilleninnere und sind von Sensillenlymphe umgeben. Eine einzelne Sensille kann von zu über 100 Riechsinneszellen innerviert sein. Trifft ein Duftstoffmolekül auf die Insektenantenne und tritt durch eine Sensillenpore wird es von sogenannten Duftstoff bindenden Proteinen (OBPs, odorant-binding proteins) abgefangen und zu einem der in der dendritischen Membran verankerten Duftstoffrezeptoren (OR, olfactory receptor) transportiert. OBPs sind notwendig, um die meist hydrophoben Duftstoffmoleküle über die wässrige, und damit hydrophile, Sensillenlymphe hinweg zu befördern und sie vor enzymatischem Abbau zu schützen. Die Anlagerung des OBP-Duftstoff-Komplexes am OR führt zu einer Permeabilitätsänderung der Dendritenmembran, wodurch ein Nervenimpuls auslöst wird. Die Erregungsweiterleitung erfolgt vom Dendrit weiter über das Axon der Sinnenzelle bis hin zum Riechzentrum des Insektenhirns, dem Antennallobus. Um eine erneute Erregung zu verhindern, werden die Duftstoffmoleküle von speziellen Enzymen (ODE, odor-degrading enzyme) im Anschluss abgebaut.
Wie empfindlich ist die Geruchswahrnehmung von Insekten?
Duftstoffe sind in der Luft oft nur in sehr geringen Konzentrationen vorhanden und ggf. muss die Wahrnehmung von Nahrung oder potentiellen Geschlechtspartnern über mehrere Kilometer hinweg erfolgen. Weiterhin muss relevante Information in kürzester Zeit vom unwichtigen „Umgebungsduft“ unterschieden werden. Der Geruchssinn von Insekten ist in der Lage dies zu leisten und so besitzen Insektenantennen gerade für die Wahrnehmung von Sexualpheromonen eine erstaunlich hohe Empfindlichkeit. Beim Seidenspinner, Bombyx mori, reicht z.B. ein Pheromonmolekül aus, um einen Nervenimpuls in einer Riechsinneszelle auszulösen. Man nimmt jedoch an, dass die Schwellenkonzentration für nahrungsassoziierte Duftstoffe mit 1010 bis 1011 Molekülen pro ml Luft deutlich höher liegt (M. Kaib in Dettner & Peters, 2003).