Inhalt: EU-Twinning mit Marokko
Twinning-Projekt zur Verbesserung der Pflanzengesundheit und der Lebensmittelsicherheit in Marokko erfolgreich abgeschlossen
"Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln und Kultursubstraten"
Im Frühjahr 2015 startete das mit einem Budget von ca. 1,2 Millionen Euro ausgestattete Twinning-Projekts der Europäischen Kommission ‚Contrôle des produits phytopharmaceutiques, des fertilisants et supports de culture' in Marokko. Partnerland Marokkos war Frankreich; Deutschland übernahm als Junior-Partner Frankreichs Aufgaben im Bereich ‚Pflanzenschutz'. Konkret waren an der Projektdurchführung für die drei Landwirtschaftsministerien die folgenden Behörden beteiligt:
- L'Office National de la Sécurité Sanitaire des produits Alimentaires (ONSSA)
- L'Agence nationale française de Sécurité sanitaire de l'Alimentation, de l'Environnement et du Travail (ANSES)
- Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (BVL), unterstützt vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Julius Kühn-Institut (JKI) und von Länderbehörden
Mit dem sogenannten Plan ‚Maroc vert' verfolgt Marokko politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ziele zur Modernisierung des Agrarsektors bis zum Jahr 2020, da die Landwirtschaft in allen Regionen des Landes als entscheidender Entwicklungsmotor gesehen wird. In den letzten fünf Jahren ist die Landwirtschaft ohne die Nahrungsmittel-verarbeitung im Schnitt um 2,2% gewachsen, trotz hoher Schwankungen bei den Regenfällen im Herbst/Winter (Quellen: Weltbank 2015; Bank al-Maghrib - Jahresbericht 2014; Ministère de l'Agriculture et de la Pêche Maritime 2015; UBI France 2015). Marokko produziert insbesondere Gemüse, Trauben, Oliven, Zitrusfrüchte, auch für den Export in die EU. Die Inlandsproduktion von Weizen und Gerste wird durch Importe von Getreide im Wert von jährlich durchschnittlich 600 Mio. € ergänzt. So wurden im ersten Quartal 2017 in den Häfen Casablanca, Safi, Agadir und Nador rund 570 000 t Importgetreide gelöscht und in von der ONSSA registrierte Silos eingelagert.
Auf die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen nahm das Twinning-Projekt direkt Bezug, indem es die im Jahr 2010 gegründete marokkanische Behörde für Lebensmittelsicherheit ‚ONSSA' bei ihren Maßnahmen für sichere und zugelassene Betriebsmittel für die Landwirtschaft unterstützte. Mit den Erfahrungswerten aus den entsprechenden europäischen und nationalen Verfahren konnten im Rahmen der Kooperation wirksame Kontrollmaßnahmen für das Inverkehrbringen und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Düngern für die Gegebenheiten in Marokko entwickelt worden. Die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft und die Sicherheit der inländisch produzierten Agrarerzeugnisse soll auf diese Weise langfristig an internationale Standards herangeführt werden, dies mit Blick sowohl auf die einheimische Bevölkerung und deren Versorgung als auch auf die Agrarexporte in die EU.
In der zweijährigen Laufzeit konnten abgestimmt auf konkrete Problemstellungen in Marokko ca. 80 Experten aus Frankreich und Deutschland bei der ONSSA in Rabat eingesetzt werden und sich auf Exkursionen vor Ort ein Bild von den Praxisbedingungen und -problemen machen.
Für Fragestellungen zu Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten im Vorratsschutz wurde Frau Dr. Kroos (JKI-Fachinstitut für Ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz) mit einer sogenannten einwöchigen ‚Mission' beauftragt. Während eines wissenschaftlichen Austausches zwischen ONSSA und BVL besuchten bereits im September 2013 marokkanische Wissenschaftler erstmals das Institut in Berlin, um bestehende Probleme in Marokko zu diskutieren.
Zu den besonderen Themen im Twinning-Projekt gehörten während des Aufenthaltes im September 2016 insbesondere die
- biologische Wirksamkeit von Vorratsschutzmitteln und deren Bewertung (z. B. EPPO-Standards; Einsatz von Phosphan – Getreide, Tabak, Zitrusfrüchte),
- Verwendungen von Phosphorwasserstoff-haltigen Pflanzenschutzmitteln (z. B. Entwurf zweier gesetzlicher Regelungen einschließlich Anwendungen, Sachkunde, Sicherheitsstandards und Kontrolle),
- Zulassungssituation im Vorratsschutz in Marokko, Deutschland und der EU (z. B. nicht in der EU zugelassene marokkanische PSM – Export/Notifizierungen im RASFF),
- gesetzlichen Regelungen im Vorratsschutz (u. a. Schutz verarbeiteter Agrarerzeugnisse - Biozide).
Am 16. und 17. Mai 2017 fand die offizielle Abschlussveranstaltung mit Beteiligung des marokkanischen Landwirtschaftsministeriums, der französischen und deutschen Botschaften, der Leiter der ONSSA, Ahmed Bentouhami, und des BVL, Helmut Tschiersky, sowie der beteiligten Institutionen und Experten in Rabat statt.
Ergebnisse und Empfehlungen für die einzelnen Fragestellungen im Projekt wurden auf einen hohem wissenschaftlichen Niveau diskutiert, wobei die Möglichkeiten der Umsetzung in die Praxis durchaus kritisch und realistisch eingeschätzt wurden. Oftmals mangelt es noch an der Übereinstimmung der administrativen Regelungen mit den praktischen Gegeben-heiten. Um beispielsweise die hohe Zahl an Arbeitsunfällen bei der Applikation von Pflanzenschutzmitteln und Fehlbehandlungen von Vorratsgütern nachhaltig vermeiden zu können, bedarf es zunächst grundlegender Voraussetzungen wie einer flächendeckenden Alphabetisierung und Sachkundeausbildung der Anwender gerade in kleinbäuerlichen Strukturen. Hier greift der ‚Maroc vert', durch den das marokkanische Landwirtschafts-ministerium bisher ca. 700 000 Bauern erreicht hat.
Auf besonderen Wunsch der ONSSA präsentierte Frau Dr. Kroos zusammen mit Herrn Dr. Akchati nicht nur die Ergebnisse der intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit während des Experteneinsatz, sondern stellte ebenfalls die Bedeutung des Vorratsschutzes als Teil der Lebensmittelherstellungskette heraus.
Dr. Garnet Marlen Kroos
JKI-Fachinstitut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz
Berlin, den 8. Juni 2017